Lehrer:innengesundheit Teil 2: Einblicke ins echte Berufsleben

Andrea Lawlor

Der Lehrberuf ist gesellschaftlich nach wie vor nicht sehr hoch angesehen. Mythen wie „die arbeiten nur Teilzeit und haben ständig Ferien“ halten sich hartnäckig. Wir haben mit Lehrerinnen und Lehrern gesprochen und halten mal die Realität dagegen, wie sie wirklich ist!

Wir haben vier Lehrerinnen aus verschiedenen Schulformen (von Grundschule über Förderschule bis zur Gesamtschule) drei Fragen zu ihrem erlebten Schulalltag gestellt. In ihren Antworten berichten sie uns über ihre Erfahrungen, aktuelle Herausforderungen und Wünsche in punkto Lehrergesundheit. Die Ergebnisse sind bemerkenswert und teilweise wirklich beängstigend. Umso wichtiger, dass wir alle sensibilisiert werden für das, womit Lehrer/innen heute tagtäglich konfrontiert sind!

Hier kommen die Fragen samt einigen Antworten im Überblick. Wenn Du gerne tiefer einsteigen möchtest, findest Du alle Antworten im O-Ton hier.

Frage 1: Wie hat sich aus Deiner Wahrnehmung in den vergangenen Jahren der Schul- bzw. Lehreralltag am spürbarsten verändert?

Bei dieser Frage kommen wir – wie Du vielleicht schon ahnst – um die großen Themen unserer Zeit (u.a. Inklusion und geflüchtete Kinder) nicht herum. Die Lehrer:innen sind tagtäglich mit vielen Problemen rund um diese beiden Themen beschäftigt und beklagen eine fehlende Unterstützung:

  • Ich persönlich bin dann betroffen, wenn wir als Sonderpädagogen in inklusive Schulsysteme abgeordnet werden und als Mahnmale für die Dinge degradiert werden, die gerade wegen der Inklusion nicht funktionieren. Alle Ärgernisse werden dann auf uns projiziert und wir sollen es richten.“
  • Ich persönlich habe 27 Kinder aus überwiegend sozial schwachen Familien bzw. mit Migrationshintergrund in der Klasse. […] Drei teilweise traumatisierte Flüchtlingskinder ohne jegliche Deutschkenntnisse. […] Ich bin fast immer allein in der Klasse und versuche alle im Blick zu haben. Es gibt leider viel zu wenig personelle, finanzielle und fachliche Unterstützung.“

Als einen weiteren wichtigen Faktor benennen die befragten Lehrerinnen die heutige Elternschaft: in den vergangenen Jahren hat sich die Spezies der „Helikoptereltern“ entwickelt. Diese machen es den Lehrkräften teils mehr als schwer (vielleicht kennst Du den Kinofilm „Frau Müller muss weg“, der mit Anke Engelke in der Hauptrolle das Thema komödiantisch verpackt und so auf niedrigschwellige Art Relevanz für ein wirklich ernst zu nehmendes Thema schafft). Auch unsere vier Lehrkräfte kommen mit dieser und ähnlichen Entwicklungen immer wieder in Berührung:

  • Beklagte man vor einigen Jahren noch, dass sich viele Eltern zu wenig Interessierten, hat man nun eher das Gefühl, dass einige Eltern ihren Kindern sehr stark unterstützen und beschützen wollen.
  • Eltern erhalten immer mehr Entscheidungsgewalt. Lehrer:innen dagegen wird sie immer mehr genommen. So entsteht ein neues Entscheidungsgefälle…. Schon oft habe ich angreifende Elternbriefe gelesen, die Fehlverhalten ihrer Kinder eindeutig nicht nur billigen, sondern sogar erlauben.

Frage 2: Was sind aktuell Deine drei größten Herausforderungen mit Blick auf Deinen gesunden Lehreralltag?

Bei dieser Frage erkennst Du, wie das Zusammenspiel aus äußeren und inneren Faktoren den Lehrer:innenalltag maßgeblich beeinflusst. Zu den äußeren Herausforderungen benennen die Befragten u.a.:

  • Massive Verhaltensauffälligkeiten, die sich auch in Form von Gewalt gegen Mitschüler:innen und Lehrer:innen ausdrücken.“
  • „Viel zu große Klassen mit teilweise sehr schlecht erzogenen Kindern, die wenig Werteerziehung vermittelt bekommen haben; dadurch verbunden viel Konfliktpotenzial, Unruhe, Lärm, Stress.“

Bei den inneren Herausforderungen spielen u.a. folgende Aspekte eine wichtige Rolle:

  • Eigene Grenzen setzen: wie auch immer man es nennen möchte, an der „Work-Life-Balance“ […] muss ich arbeiten. Als Lehrerin hat man nicht so richtig Feierabend, denn irgendetwas vorbereiten, besser vorbereiten oder differenzieren kann man immer.“
  • „Wertschätzung suchen und finden: im Lehrerberuf […] muss man für die Wertschätzung der eigenen Arbeit häufig Augen und Ohren sehr weit aufsperren und auch einfach mal deuten.“
  • „Seinen Ansprüchen und dem einzelnen Kind nicht gerecht zu werden und sich dadurch immer unter Druck zu setzen!“

Frage 3: Wenn Du das Thema „Lehrer:innengesundheit“ an Deiner Schule mit Leben füllen könntest – was würdest Du als allererstes angehen und warum?

  • Die erste Baustelle wäre das Schulklima: wie geht die Leitung mit dem Kollegium um? Wie reagiert das Kollegium? Wie kann die gegenseitige Wertschätzung wiederhergestellt werden, um ein positives, produktives Miteinander zu schaffen?“
  • Ich würde zuerst das Thema Ruhe angehen. Mit dem Kollegium und den Kindern ein Konzept entwickeln […], wie man für mehr Ruhe im Unterricht, im Schulgebäude etc. sorgen könnte.“
  • „Entlastung schaffen! […] Neben dem ganz normalen Unterrichten, Vor- und Nachbereiten und Korrigieren, kommen Klassenleitungen mit allem was dazu gehört, immer mehr Konferenzen und Sitzungen (Inklusion), Arbeitskreise, Materialerstellungen etc. dazu. Wo etwas dazu kommt, muss bei einer ohnehin schon 100-prozentigen Belastung irgendwo auch eine Entlastung folgen, sonst geht die Rechnung dauerhaft nicht auf. Dabei ist das „wie“ und vor allem „wie möglichst gerecht“ sicherlich eine große und nicht ganz einfach zu lösende Herausforderung.“

In Teil 3 der Blogreihe zum Thema „Lehrer:innengesundheit“ schauen wir uns an, welcher Wandel möglich ist, damit Lehrer:innen wie unsere vier befragten, es in Zukunft leichter haben. Klick hier zum Lesen!

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